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Teilzeitklausel BU im Faktencheck

In der Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) wird die Teilzeitklausel BU zurzeit heiß diskutiert. Was hat es damit auf sich?

Das Thema ist zunächst einmal überhaupt nicht neu, sondern besteht, solange es die BU gibt. Aber es macht Sinn, sich näher damit zu befassen, denn unter anderem aufgrund Kindererziehungszeiten oder der Pflege von Angehörigen gibt es immer mehr Menschen, die ihre berufliche Tätigkeit nur in Teilzeit ausüben.

Quelle: https://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Personengruppen/generische-Publikationen/Frauen-Maenner-Arbeitsmarkt.pdf

Die Berufsunfähigkeitsversicherung bezieht sich auf die konkret ausgeübte Tätigkeit. Dabei spielt die Anzahl der Stunden, die man arbeitet, eine wichtige Rolle. Denn schließlich stellt die 50 Prozent-Klausel einen relativen Prüfungsmaßstab dar. So kann eine Teilzeittätigkeit im Leistungsfall nachteilig für Versicherte sein, denn bei einem Restleistungsvermögen von beispielsweise drei Stunden täglich wäre man bei einer Teilzeitstelle mit vier Arbeitsstunden täglich noch nicht berufsunfähig. Bei einer Vollzeitstelle mit acht Stunden täglich hingegen schon.
Mit der Württembergischen und der Condor haben dankenswerterweise zwei Versicherer diese Zielgruppenproblematik aufgegriffen und eine entsprechende Regelung in ihre Bedingungen aufgenommen. Folgende Formulierungen sind in den Bedingungen der beiden Anbieter zu finden:

Condor:
„Reduziert die versicherte Person während der Versicherungsdauer ihre vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit, bleibt für die Beurteilung einer Berufsunfähigkeit die während der Versicherungsdauer höchste vertraglich oder gesetzlich fixierte wöchentliche Arbeitszeit maßgebend (Teilzeitklausel). Nachweise über die jeweiligen Arbeitszeiten sind uns vorzulegen. Entsprechendes gilt, wenn die Arbeitszeitreduktion vom Arbeitgeber angeordnet wird(z.B. Kurzarbeit).“

Württembergische:
„Wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit von Vollzeit auf Teilzeit reduziert, gilt in den nächsten 12 Monaten Folgendes: Wenn Sie einen Antrag auf Berufsunfähigkeit stellen, legen wir die berufliche Tätigkeit in Art und Umfang vor Reduzierung der Arbeitszeit zugrunde.“

Teilzeitklausel BU als Wette?

So positiv die Ansätze grundsätzlich sind, so werfen sie dennoch ein Reihe Fragen auf, die wir im Folgenden näher beleuchten wollen. Hierbei ist korrekterweise anzumerken, dass wir – so wie die Versicherer auch – bei der Betrachtung der Regelungen den Aspekt der prägenden Tätigkeitsmerkmale vereinfachend außer Acht lassen. Ebenso verzichten wir hier auf eine abwägende Betrachtung des §172 (2) VVG.

Aus beiden Regelungen wird nicht eindeutig klar, wie die beruflichen Tätigkeiten bei der Leistungsprüfung berücksichtigt werden und ob ggf. eine „Günstigerprüfung“ für Versicherte vorgenommen wird. Aber der Reihe nach …

So stellt die Württembergische auf die berufliche Tätigkeit in Art und Umfang vor der Teilzeittätigkeit ab. Nehmen wir beispielsweise vereinfacht an, dass ursprünglich in Vollzeit administrative und körperliche Tätigkeiten in gleichem Umfang ausgeübt wurden, so muss das Restleistungsvermögen bei einem Bandscheibenschaden nicht in jedem Fall unter 50 Prozent fallen. Wird aber vor Eintritt der Beeinträchtigung die Arbeitszeit auf vier Stunden reduziert, in denen dann überwiegend körperlich gearbeitet wird, würde diese Änderung des Tätigkeitsprofils unberücksichtigt bleiben, da im Leistungsfall auf die konkrete Tätigkeit vor der Arbeitszeitreduzierung abgestellt wird. Oder anders gesagt, müsste ein/e Versicherte/r die körperliche Teilzeittätigkeit aus gesundheitlichen Gründen von vier auf eine Stunde reduzieren, würde kein Leistungsanspruch bestehen, da noch vier Stunden administrative und eine Stunde körperliche Tätigkeit möglich wäre, womit vor der Reduzierung der Arbeitszeit kein 50% BU Grad erreicht würde.

Die Condor hingegen bezieht sich nur auf den höchsten vertraglich fixierten Arbeitsumfang. Auf welche Tätigkeit die Leistungsprüfung abstellt, wird nicht definiert. Hier könnten drei unterschiedliche Tätigkeiten berücksichtigt werden. Die Tätigkeit während der höchsten vertraglich fixierten Arbeitszeit, die Tätigkeit vor der Arbeitszeitreduzierung oder die Teilzeittätigkeit.

Die Regelungen beider Versicherer gehen zudem nicht näher auf Schüler, Studenten oder Azubis ein. Welche Stundenzahl und welche Lebensstellung wird nach erfolgreichem Abschluss der Schule, der Ausbildung oder des Studiums berücksichtigt, wenn nur die Aufnahme einer Teilzeittätigkeit erfolgt und im Anschluss eine Berufsunfähigkeit eintritt? Werden bei einem Studenten die acht Stunden Vorlesung pro Woche mit der geringeren Lebensstellung zu Grunde gelegt?

Viele Fragen bleiben bei der Lebensstellung offen

Das bringt uns zu dem Thema Lebensstellung. Bei beiden Regelungen erfolgt kein eindeutiger Bezug zur Lebensstellung. Bei der Württembergischen könnte man durch die zeitliche Begrenzung auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit auch die damit verbundene Lebensstellung vermuten. Bei der Condor hingegen wird es schwieriger. Wird die Lebensstellung bei der höchsten wöchentlich fixierten Arbeitszeit zugrunde gelegt, oder die Lebensstellung vor der letzten Arbeitszeitreduzierung?

Berücksichtigung findet aktuell nur eine reine Reduzierung der Arbeitszeit, eine damit einhergehende Anpassung der Einzel- bzw. Kerntätigkeiten erfolgt nicht. Je nach Anpassung der Teiltätigkeiten bei reduziertem Arbeitsumfang kann es sowohl positiv als auch negativ sein, auf die zuletzt ausgeübte Tätigkeit abzustellen.

Alternativen zur Teilzeitklausel BU?

Mit der Alten Leipziger hat jetzt ein weiterer BU- Versicherer seinen Umgang mit Teilzeitbeschäftigten bei der Leistungsregulierung kundgetan und stellt ihn als „Königsweg“ dar, angeblich ohne dabei eine Regelung zur Teilzeitbeschäftigung in den Bedingungen zu benötigen.

Die Alte Leipziger führt aus, dass sie die Teilzeittätigkeit und die Pflegetätigkeit bzw. Kinderbetreuung im Rahmen einer Hausfrauen-/ Hausmännertätigkeit prüft und bringt hierzu ein konkretes Beispiel:

„Eine Bürokraft hat ihre Arbeitszeit reduziert, weil sie halbtags einen bettlägerigen Angehörigen betreut. Nach einem Bandscheibenvorfall darf sie nicht mehr schwer heben und tragen, die Pflegetätigkeit ist nicht mehr möglich.
Bei unterstellter (fiktiver) Vollzeittätigkeit als Bürokraft mit leichter körperlicher Tätigkeit von beispielsweise 38 Stunden in der Woche wäre eine Berufsunfähigkeit bei erfolgreicher Operation sehr wahrscheinlich nicht gegeben. In diesem Fall würde sich die derzeit im Fokus der Berichterstattung stehende »Teilzeitklausel« von Mitbewerbern für die Kundin als nachteilig erweisen!
Bei der ALTE LEIPZIGER, die auch die Tätigkeit einer Hausfrau/-mann als Beruf ansieht, würden in diesem Beispiel mit Sicherheit BU-Leistungen erbracht. Grund: Im Leistungsfall wird hier sowohl die Teilzeitbeschäftigung als auch die Pflegetätigkeit (im Rahmen der häuslichen Tätigkeit) mit den jeweiligen zeitlichen Anteilen berücksichtigt.“

Spannende Fragen zur Hausfrauen- / Hausmänner – Tätigkeit

Das zitierte Beispiel hört sich in der Theorie für den Kunden zunächst gut an. Fraglich ist aber, ob dieses Vorgehen in der Regulierungspraxis auch in allen Fällen so angewendet wird. Denn dies würde konsequent bedeuten, dass die Alte Leipziger auch bei einer Vollzeittätigkeit die Tätigkeiten im Haushalt zusätzlich berücksichtigen müsste. So können aufgrund der Tätigkeiten im Haushalt bzw. im Rahmen der Kinderbetreuung schnell aus 40 Wochenstunden 50 oder 60 Stunden werden.

Da Alte Leipziger, wie auch Condor, die Tätigkeit von Hausfrauen / Hausmänner bedingungsseitig als Beruf definieren, wären dann bei der Leistungsprüfung nicht generell 2 Berufe zu addieren / zu berücksichtigen? Das würde bei Vollzeittätigkeiten zu einer noch höheren Wochenstundenanzahl führen und könnte bei Zusammenrechnung von Teilzeittätigkeit und Haushalt wiederum die Teilzeit-Klausel ins Leere laufen lassen, denn addiert ergäben sich wieder mindestens normale Arbeitszeiten.

Weiterhin ist fraglich, ob speziell die Pflege von Angehörigen, wie die Alte Leipziger unterstellt, überhaupt unter dem Begriff Hausfrau/ Hausmann zu subsummieren ist. Denn eine Pflegetätigkeit dürfte wohl kaum zu den normalen Tätigkeiten im Haushalt zählen.

Wie auch schon bei den anderen beiden Versicherern betrachtet, könnte auch das Vorgehen der Alten Leipziger zu Lasten der Versicherten ausgelegt werden. Betrachtet man das oben genannte Beispiel und macht aus dem Bandscheibenvorfall eine psychische Erkrankung, die bspw. aus einer beruflichen Überforderung resultiert, würde der Fall sicher anders aussehen. Da der/die Versicherte dann zwar seine/ihre Bürotätigkeit nicht mehr ausüben kann, aber durchaus noch die Tätigkeit als Hausfrau/- mann, würde evtl. der benötigte BU- Grad nicht erreicht werden. Versicherte stünden dann trotz vorhandener Berufsunfähigkeit ohne Leistung da.

Durch die fehlende Rechtsverbindlichkeit der Ausführungen der Alten Leipziger (keine eindeutige Bedingungsregelung) und die unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten werfen die Ausführungen der Alten Leipziger eine Reihe an Fragen auf, auf deren Beantwortung wir gespannt sind.

Diskussion und Regelungstiefe noch ganz am Anfang

Zu dem in der Tat wichtigen Thema der Teilzeittätigkeit gibt es also von Versicherern verschiedene Ansätze, diese Problematik aufzugreifen. Jedoch ist aus unserer Sicht bisher noch keine für den Kunden ideale oder gar eindeutige Lösung dabei. Bisher gibt es eine Reihe an Unstimmigkeiten, die verunsichern und die Vorteile einer Teilzeitklausel sogar umkehren können, indem diese zu Lasten der Versicherten ausgelegt werden könnten. Hier ist im Kundensinne dringend eine weitere Präzisierung wünschenswert. Weiterhin bleibt die Frage, warum man nicht auch Kunden berücksichtigt, die grundsätzlich, also schon bei Versicherungsabschluss, eine Teilzeittätigkeit ausüben.

Teilzeitklausel BU als Tür für Manipulationen?

Neben allen Vorteilen, die man sich für BU-Versicherte wünscht, darf nicht außer Acht gelassen werden, dass eine BU grundsätzlich auch anfällig für Manipulationen ist. Wir erinnern an die jahrelange Diskussion über gezielt herbeigeführte Berufswechsel, womit man eine BU bei vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen selbst herbeiführen könnte. Die Frage ist, ob sich hier nicht eine vergleichbare Tür öffnet, indem man zu einer temporären Erhöhung der Arbeitsstunden geradezu auffordert, um beim Leistungsantrag bessere Karten zu haben. Zu Bedenken wären hier ggf. (Gesellschafter-) Geschäftsführer.

Berücksichtigung von Teilzeittätigkeit bei Franke und Bornberg

Wir berücksichtigen Teilzeittätigkeiten übrigens schon seit einigen Jahren im Rahmen unseres Angebots- und Vergleichssystems fb>xpert AKS. Die Frage Vollzeit oder Teilzeit hat nämlich auch spürbaren Einfluss auf die geeignete Produktart. Daher ist die Abfrage der Arbeitsstunden fester Bestandteil unseres AKS-Produktartenfinders (siehe Screenshot). Fragen hierzu beantworten wir natürlich gerne.

AKS-Team Franke und Bornberg

Das AKS-Team von Franke und Bornberg
Analyse Arbeitskraftsicherung
Franke und Bornberg

Kommentare

L. Ziegenhagen

L. Ziegenhagen
31.10.2019 - 16:53
Permalink

Die BU - Bedingungen können m. E. erst weiter konkretisiert werden, sobald die ersten Gerichtsentscheidungen vorliegen, wo die Teilzeitkl. eine - entscheidende - Rolle spielt. Zunächst müssen erst weitere Versicherer die Teilzeitkl. überhaupt aufnehmen.

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